Unsere Gruppe führt atomistische Simulationen des Materialverhaltens unter extremen Umweltbedingungen zusammen mit der experimentellen Validierung der Modellvorhersagen durch. Das Hauptanwendungsgebiet sind Funktions- und Strukturwerkstoffe für die Kernfusion, die hohen Temperaturen, der Bestrahlung mit schnellen Neutronen, die das Kristallgitter dauerhaft schädigen, und hohen Konzentrationen von gasförmigen Atomen wie Helium und Wasserstoffisotopen aus Transmutationsprozessen widerstehen müssen. Solche Werkstoffe werden in der Abteilung "Metallische Werkstoffe" entwickelt und charakterisiert.
Beryllium und Berylliumlegierung wie TiBe₁₂ werden als Neutronenvielverfacher für zukünftige Kernfusionsreaktoren betrachtet. Sie sollen Neutronenverlust ausgleichen und so zusätzliches Tritium erzeugen, das zusammen mit Deuterium als Brennstoff für die Fusionsreaktion dient und selbstnachhaltige Treibstoffkreisläufe ermöglicht.
Unsere Gruppe untersucht Beryllium als Neutronenmultiplikatormaterial für den Fusionsreaktor DEMO. Zum ersten Mal konnten wir zeigen, dass sich in bestrahltem Beryllium das eingeschlossene Tritium an den Wänden der Heliumblasen ansammelt, während das Helium das Blasenvolumen als Gas ausfüllt (s. Abbildung). Dieser Effekt erklärt die tiefe Bindung des Tritiums in Beryllium und führte zur Entwicklung fortschrittlicher Neutronenvervielfacher mit reduzierter Tritiumrückhaltung. Unsere Forschung trägt dazu bei, die Sicherheit und Effizienz von Fusionsreaktoren der nächsten Generation zu verbessern.
EELS-Karten von (links/oben) Heliumgas- und (rechts/unten) adsorbierten Tritiumverteilungen innerhalb der Heliumblase (Blick senkrecht zur a-Achse)
Nachbestrahlungsuntersuchungen am KIT haben gezeigt, dass Heliumblasen in Berylliden mindestens zehnmal kleiner sind als diejenigen, die sich unter denselben Bestrahlungsbedingungen in Beryllium bilden (s. Abbildung). Dieser Vergleich deutet darauf hin, dass Beryllide ein geringeres Potenzial zur Tritiumakkumulation aufweisen könnten, falls Tritium – wie im Fall von reinem Beryllium – in Heliumblasen gebunden wird. Diese Erkenntnisse sind entscheidend für die Entwicklung sicherer und effizienter Materialien für zukünftige Fusionsreaktoren.
Unsere Gruppe untersucht die Korngrenzen in Vanadium, einem vielversprechenden Material für metallische Membranen zur Trennung von Wasserstoffisotopen von anderen Gasen. Es gibt Hinweise darauf, dass Korngrenzen in Vanadium einerseits als Pfade für beschleunigte Wasserstoffdiffusion dienen können, andererseits aber auch Schwachstellen darstellen, an denen Verunreinigungen durch andere Elemente auftreten und die Membraneigenschaften beeinträchtigen können. Mithilfe ab-initio-Methoden haben wir die Korngrenzen in Vanadium analysiert und ein effektives interatomares Wechselwirkungspotential entwickelt, das sowohl die Beschreibung von Korngrenzen als auch großskalige Simulationen des Wasserstoffdiffusionsprozesses ermöglicht.
Methoden
Die folgenden Modellierungsmethoden werden von unserer Gruppe auf verschiedenen Raum- und Zeitskalen angewendet:
- Methoden der Dichtefunktionaltheorie (Ab-initio)
- konventionelle und auf den ersten Prinzipien der Dichtefunktionaltheorie basierende Molekulardynamik
- Entwicklung interatomarer Wechselwirkungspotenziale aus Ab-Initio-Daten durch maschinelles Lernen,
- atomistische kinetische Monte-Carlo-Simulationen und
- Methoden der Ratengleichungen
Methoden der Dichtefunktionaltheorie (ab-initio):
Unsere Forschungsgruppe nutzt die Dichtefunktionaltheorie (DFT) zur Untersuchung von Defekten und transmutationsbedingten Gasen wie Helium und Tritium in Materialien. Mit DFT-Methoden analysieren wir die strukturelle Relaxation von Defekten und bestimmen präzise die Defektbildungsenergien. Diese Erkenntnisse sind entscheidend für das Verständnis der Materialstabilität unter Bestrahlung und tragen zur Entwicklung widerstandsfähiger Materialien für Anwendungen in der Fusions- und Kerntechnik bei.
Molekular Dynamik
Unsere Forschungsgruppe setzt die Molekulardynamik-Simulation ein, um das Verhalten von Helium und Tritium in Beryllium und Berylliden zu untersuchen. Diese Methode ermöglicht es, Diffusionsprozesse, die Akkumulation von Helium und Tritium in Blasen sowie die Wechselwirkungen mit Defekten auf atomarer Ebene zu analysieren. Durch diese Simulationen gewinnen wir wertvolle Einblicke in die Mikrostrukturentwicklung unter Bestrahlung und tragen zur Optimierung von Materialien für Fusionsanwendungen bei.
Atomistische kinetische Monte-Carlo-Methode and Cluster-Dynamik
Unsere Forschungsgruppe verwendet die atomistische kinetische Monte-Carlo-Methode sowie Cluster Dynamik zur Untersuchung der Tritiumakkumulation in Beryllium und Berylliden. Mit dieser Methode simulieren wir die Diffusion und das Freisetzungsverhalten von Tritium nach thermischer Beladung, Implantation oder Bestrahlung. Dadurch können wir experimentelle Ergebnisse zur Tritiumfreisetzung interpretieren und grundlegende Mechanismen der Tritiumretention und -migration auf mikroskopischer Ebene besser verstehen, was zur Entwicklung optimierter Materialien für Fusionsanwendungen beiträgt.
Unsere Gruppe übernimmt folgende Aufgaben im Rahmen des Work Packages Breeding Blanket:
- Evaluation der Tritium Fangkapazität von Helium-Blasenn Berylliden
- Entwicklung von maschinellen Lernmodellen für interatomare Potentiale im T-Be-He-System
- Bewertung der Wasserstoff-und Heliumdiffusionskoeffizenten in TiBe₁₂
Diese Arbeiten tragen zur Entwicklung von Materialien für zukünftige Kernfusionsreaktoren bei, insbesondere im Hinblick auf ihre Neutronenvervielfachung und Tritium-Produktion.
Ulba Metallurgical Plant
Unsere Zusammenarbeit mit dem Ulba Metallurgical Plant in Kasachstan hat bedeutende Fortschritte in der Entwicklung fortschrittlicher Beryllid-Materialien für Fusionsanwendungen ermöglicht. Im Rahmen dieser Partnerschaft wurden mehrere vollformatige Beryllid-Mock-up-Blöcke aus TiBe₁₂ und CrBe₁₃ erfolgreich gefertigt und zyklischen thermischen Belastungstests unterzogen. Diese Experimente simulierten die pulsierten Betriebsbedingungen, die für die DEMO-Tritiumbrutdecke vorgesehen sind, und lieferten wertvolle Erkenntnisse über die Leistungsfähigkeit und Haltbarkeit der Materialien. Diese Entwicklung stellt einen wichtigen Schritt zur Realisierung zuverlässiger und effizienter Brutdeckenkomponenten für zukünftige Fusionsreaktoren dar und wurde mit dem zweiten Europäischen SOFT Innovation Prize ausgezeichnet.
KBHF Deutschland
Unsere Zusammenarbeit mit der Karlsruhe Beryllium Handling Facility (KBHF), einem Unternehmen mit einer Lizenz zur Verarbeitung und Lagerung von Beryllium-haltigen Materialien, ermöglicht umfassende Forschungs- und Entwicklungsarbeiten auf diesem Gebiet. In enger Kooperation mit unserer Gruppe werden hier die Charakterisierung sowie die Forschung und Entwicklung an Beryllium-Pebbles durchgeführt, Beryllide mittels Heißisostatischem Pressen (Hipping) hergestellt, die Wärmeleitfähigkeit von Beryllium-Pebble-Betten gemessen und Proben für weiterführende Untersuchungen vorbereitet. Diese Arbeiten tragen wesentlich zur Weiterentwicklung von Beryllium-Materialien für Fusionsanwendungen bei.
SCK-CEN, Belgien
In Zusammenarbeit mit SCK CEN in Mol, Belgien, werden derzeit Bestrahlungstests an Beryllium-Pebbles und neu entwickelten Berylliden durchgeführt. Diese Tests finden im Materialtestreaktor BR2 in Mol statt und dienen der Untersuchung des Verhaltens dieser Materialien unter intensiver Neutronenbestrahlung. Die bestrahlten Proben werden voraussichtlich Ende 2025 an das KIT transportiert, wo weiterführende Nachbestrahlungsuntersuchungen durchgeführt werden, um deren strukturelle und thermophysikalische Eigenschaften detailliert zu analysieren. Diese Forschungsarbeiten leisten einen wichtigen Beitrag zur Qualifizierung von Beryllium-Materialien für zukünftige Fusionsanwendungen.
Culham Centre for Fusion Energy (CCFE), UK
Unsere Gruppe arbeitet eng mit der Materials Research Facility am Culham Centre for Fusion Energy (CCFE) in Großbritannien zusammen. Dabei nutzen wir deren fortschrittliche Technologien zur Präparation von FIB-Proben (Focused Ion Beam) aus bestrahlten Materialien sowie zur mikrostrukturellen und elementaren Analyse mittels Transmissionselektronenmikroskopie (TEM) und Atomsonden-Tomographie. Diese Kooperation ermöglicht hochauflösende Untersuchungen der Materialveränderungen unter Bestrahlung und trägt wesentlich zum Verständnis und zur Weiterentwicklung von Materialien für Fusionsanwendungen bei.
Publikationsliste
Bachurin, D.; Stihl, C.; Vladimirov, P.
2025. doi:10.5445/IR/1000181962
Chakin, V.; Rolli, R.; Schneider, H.-C.; Gaisin, R.; Vladimirov, P.; Klimenkov, M.; Duerrschnabel, M.; Zimber, N.; Rieth, M.; Gorr, B.; Hernández, F. A.; Radloff, D.; Fedorov, A.; Zmitko, M.; Nakamichi, M.; Udartsev, S.
2025. Nuclear Materials and Energy, 42, 101910. doi:10.1016/j.nme.2025.101910
Hernández, F. A.; Gaisin, R.; Ghidersa, B. E.; Knitter, R.; Neuberger, H.; Spagnuolo, G. A.; Vladimirov, P.; Zhou, G.
2025. Fusion Energy Technology R&D Priorities. Ed.: L. El-Guebaly, 225–234, Elsevier. doi:10.1016/B978-0-443-13629-0.00029-0
Bachurin, D. V.; Stihl, C.; Vladimirov, P. V.
2025. Karlsruher Institut für Technologie (KIT). doi:10.5445/IR/1000178522
Chakin, V.; Gaisin, R.; Bonnekoh, C.; Duerrschnabel, M.; Rieth, M.; Gorr, B.; Brodnikikovsky, M.; Krapivka, M.; Firstov, S.
2025. Nuclear Materials and Energy, 42, Article no: 101871. doi:10.1016/j.nme.2025.101871
Hwang, T.; Kim, J.-H.; Sugimoto, Y.; Gaisin, R.; Rolli, R.; Vladimirov, P.; Akatsu, Y.; Yokohama, S.; Nakano, S.; Nakamichi, M.
2024. Nuclear Materials and Energy, 40, Art.-Nr.: 101686. doi:10.1016/j.nme.2024.101686
Vazquez Cortes, A.; Day, C.; Stihl, C.; Vladimirov, P. V.
2024. Nuclear Materials and Energy, 38, Art.-Nr.: 101600. doi:10.1016/j.nme.2024.101600
Emelyanova, O. V.; Gentils, A.; Borodin, V. A.; Dzhumaev, P. S.; Vladimirov, P. V.; Lindau, R.; Möslang, A.
2023. Nuclear Materials and Energy, 35, Art.-Nr.: 101456. doi:10.1016/j.nme.2023.101456
Reimann, J.; Cilingir, E.; Gaisin, R.; Goraieb, A.; Nakamichi, M.; Vladimirov, P.
2023. Proceedings of the 15th International Workshop on Beryllium Technology (BeWS-15) September, 14-15, 2022, Karlsruhe, Germany. Ed. P. Vladimirov; R. Gaisin, 284–291, Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Chakin, V.; Rolli, R.; Zmitko, M.
2023. Proceedings of the 15th International Workshop on Beryllium Technology (BeWS-15) September, 14-15, 2022, Karlsruhe, Germany. Ed.: V. Pavel; R. Gaisin, 267–283, Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Duerrschnabel, M.; Gaisin, R.; Vladimirov, P.; Rieth, M.
2023. Proceedings of the 15th International Workshop on Beryllium Technology (BeWS-15) September, 14-15, 2022, Karlsruhe, Germany(KIT Scientific Reports ; 7764). Ed.: V. Pavel; R. Gaisin, 238–248, Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Bachurin, D. V.; Stihl, C.; Vladimirov, P. V.
2023. Proceedings of the 15th International Workshop on Beryllium Technology (BeWS-15) September, 14-15, 2022, Karlsruhe, Germany(KIT Scientific Reports ; 7764). Ed.: V. Pavel; G. Ramil, 227–237, Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Vladimirov, P. V.; Bachurin, D. V.; Stihl, C.; Zimber, N.
2023. Proceedings of the 15th International Workshop on Beryllium Technology (BeWS-15) September, 14-15, 2022, Karlsruhe, Germany, 206–226, Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Klimenkov, M.; Jäntsch, U.; Chakin, V.; Zimber, N.; Vladimirov, P.
2023. Proceedings of the 15th International Workshop on Beryllium Technology (BeWS-15) September, 14-15, 2022, Karlsruhe, Germany, 194–205, Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Stihl, C.; Vladimirov, P.
2023. Proceedings of the 15th International Workshop on Beryllium Technology (BeWS-15) September, 14-15, 2022, Karlsruhe, Germany, 186–193, Karlsruher Institut für Technologie (KIT)