Die besonderen thermophysikalischen Eigenschaften von Flüssigmetallen ermöglichen die Übertragung hoher Wärmeströme auf hohem Temperaturniveau. Dadurch eröffnen sich neue Wege bei der Energieumwandlung, -speicherung sowie in der Hochtemperatur-Prozesstechnik im Allgemeinen.
Die Gruppe Flüssigmetalltechnologie des IAM-AWP arbeitet den Forschungs- und Entwicklungsprogrammen in Helmholtz Energy zu, mit den Themenschwerpunkten Materialverhalten gegenüber flüssigen Metallen, in Abwesenheit oder bei gleichzeitiger Einwirkung einer mechanischen Last; Instrumente und Methoden zur Kontrolle im Flüssigmetall gelöster Nichtmetalle; und Beschichtungen für den Einsatz in Flüssigmetallen.
Materialverhalten gegenüber flüssigen Metallen
Experimentelle Untersuchungen beinhalten Korrosionstests an metallische Materialien, überwiegend Stählen, in ruhenden oder strömenden flüssigen Metallen. Besonderes Augenmerk gilt dabei der Quantifizierung der Materialschädigung und Ermittlung der Korrosionskinetik. Ziel ist die Generalisierung mittels Korrosionsmechanismen, im Einklang mit den Beobachtungen sowie als Grundlage für deren modellhaften Beschreibung. Experimente zu Wechselwirkungen zwischen Korrosion und einer gleichzeitigen mechanischen Beanspruchung des Materiales erweitern die zur Einschätzung des Materialverhaltens im Anwendungsfall zur Verfügung gestellte Datenbasis. Angesichts des besonderen Einflusses von im Flüssigmetall gelöstem Sauerstoff auf die Geschwindigkeit bzw. die auftretende Form von Korrosion, besteht für die Mehrzahl der verwendeten Versuchsanlagen die Möglichkeit, gelösten Sauerstoff zu messen oder auch gezielt zu beeinflussen.
Flüssigmetall-Loop CORRIDA für Untersuchungen zur Korrosion in sauerstoffhaltigem strömenden Blei–Bismut (Pb45Bi) bei bis zu 550 °C.
CORRIDA-Loop (Pb45Bi)
CORRIDA ist ein mit eutektischem Blei-Bismut (Pb45Bi) betriebener Loop, mit einer umlaufenden Masse von etwa 1000 kg, bei einem Massestrom von in der Regel 5,3 kg/s. Sauerstoffsensoren in fünf ausgewählten Positionen ermöglichen die Überwachung von im Flüssigmetall gelöstem Sauerstoff, dessen Gehalt über den Austausch mit einer quasi-ruhenden Gasatmosphäre beeinflusst wird. Die maximale Temperatur im heißen Abschnitt des Loops kann bis zu 550 °C betragen.
Im CORRIDA-Loop werden Korrosionstest in sauerstoffhaltigem strömendem Blei-Bismut durchgeführt, an zylindrischen Materialproben, üblicherweise mit einem Durchmesser von 8 und einer Länge im Bereich von 30 mm. Die zwei Teststrecken im heißen Teil des Loops können jeweils bis zu 18 der Standardproben gleichzeitig aufnehmen.
Neben Langzeit-Korrosionsdaten (bis zu 20.000 h für einzelne Proben), hat der Betrieb von CORRIDA wesentlich zur Entwicklung eines automatisierten Sauerstoffkontrollsystems für Flüssigmetalle und der Qualifizierung elektrochemischer Sauerstoffsensoren für den Dauerbetrieb beigetragen sowie wertvolle Erkenntnisse zum Ausscheidungsverhalten gelöster Stahlbestandteile in einem nicht-isothermen Flüssigmetall-Kreislauf geliefert.
Stahlkapsel mit einem Füllvolumen von 70 ml Flüssigmetall für Korrosionstests an zylindrischen Proben mit einem Durchmesser von 6 mm bei bis zu 550 °C.
Korrosion in ruhendem Flüssigmetall
Die Beaufschlagung von Materialproben mit ruhendem Flüssigmetall in kleineren Versuchsapparaturen ist insbesondere zur Ermittlung des generellen Korrosionsverhaltens im Rahmen von Materialentwicklungsprogrammen geeignet. Dabei vermeidet die Verwendung eines keramischen Tiegels zur Aufnahme des Flüssigmetalls eine über sich lösende Bestandteile der Proben hinausgehende Kontamination bzw. letztere kann gezielt eingestellt und deren Einfluss untersucht werden. Der Tiegel befindet sich in einer von außen beheizten Stahlkapsel, die für die Temperaturmessung im Inneren sowie die Ein- und Ausleitung von Gasen und Messung im Flüssigmetall gelösten Sauerstoffs instrumentiert ist. Die automatisierte Kontrolle des Sauerstoffgehaltes erfolgt durch Integration der Kapsel in dafür ausgestattete Messplätze im Labor.
Solche Stahlkapseln lassen sich an die Anzahl der gleichzeitig zu testenden Proben, deren Größe sowie die Temperatur, bei der getestet werden soll, anpassen, bis zu einem Fassungsvermögen von etwa 1000 ml Flüssigmetall. Die erreichbare Temperatur hängt vom Material der Kapsel sowie der gewählten Beheizung und thermischen Isolation ab. Das Verhalten von Stählen und Nickelbasislegierungen in flüssigem Blei, Blei–Bismut-Eutektikum (Pb45Bi) oder Zinn ist mithilfe solcher Kapseln untersucht worden, bei Temperaturen bis zu 750 °C.
Stahlkapsel zur Aufnahme von Probe und Flüssigmetall für Zeitstandversuche bei bis zu 650 °C im Versuchstand CRISLA.
Kriechen und Zeitstand in ruhendem flüssigem Metall
Im Versuchsstand CRISLA werden Materialproben, vornehmlich Stähle, auf Kriechen und Zeitstand bei gleichzeitiger Beanspruchung durch ruhendes flüssiges Metall getestet. Probe und Flüssigmetall befinden sich in einer geschlossenen Stahlkapsel. Ein in den Deckel integrierter, flexibler Faltenbalg dient der Einleitung einer statischen Zugkraft auf die im Boden der Kapsel verankerte Probe sowie der Übertragung der Verformung nach außen. Die Kapsel ist mit Gasein- und -auslass sowie einem Sauerstoffsensor versehen, zur gezielten Beeinflussung des im Flüssigmetall gelösten Sauerstoffs. Die maximale Betriebstemperatur beträgt 650 °C.
Der Versuchstand hat 8 Plätze, an denen solche Kapseln mechanisch belastet werden können, von denen fünf mit der für eine automatisierte Sauerstoffkontrolle erforderlichen Gasversorgung sowie Mess- und Regeltechnik ausgestattet sind.
In CRISLA werden insbesondere Kriechen und Zeitstand von Stählen in Blei und eutektischem Blei–Bismut (Pb45Bi) untersucht. Die Grundlage für die Auswertung der Experimente liefern Vergleichsexperimente in ruhender Luft, durchgeführt in einer Kapsel ähnlich der für die Versuche mit Flüssigmetall verwendeten, bei gleicher Lastaufgabe und Verformungsmessung.
Die kürzlich fertiggestellte Versuchsanlage kombiniert eine servoelektrische dynamische Prüfmaschine für Zugbelastung bis 50 kN mit einer Stahlkapsel zur Aufnahme von 750 ml flüssigem Natrium, neben der getesteten Materialprobe. Eine in den Prüfraum der Maschine integrierte, umlaufgekühlte Inertgaskammer (Argon) mit 230 l Volumen vermeidet den unbedingt zu verhindernden Kontakt heißen Natriums mit Sauerstoff oder Feuchtigkeit im Falle eines Versagens von Teilen der Stahlkapsel während der Tests. Die Krafteinleitung in die Kammer und die Prüfkapsel erfolgt über Membran- bzw. Faltenbalge, die Verlängerung des die Probe enthaltenen Teils des Laststrangs wird über die Dehnung des Faltenbalges an der Kapsel erfasst. Die Anlage ist derzeit für Testtemperaturen bis 550 °C ausgelegt, ein Ausbau auf 750 °C ist geplant.
Instrumente und Methoden zur Kontrolle gelöster Nichtmetalle
Im Flüssigmetall gelöste Nichtmetalle können dessen Eigenschaften günstig oder ungünstig beeinflussen. Gelöste Nichtmetalle können Stoffumwandlungen im Flüssigmetall auslösen oder als deren Produkt entstehen. In all diesen Fällen sind die Messung der Konzentration und gezielte Zufuhr oder Entzug eines Nichtmetalls von Bedeutung.
Für metallische Strukturmaterialien in Kontakt mit einem flüssigen Metall, sind Art und Umfang einer Materialschädigung nicht zuletzt vom Gehalt an im Flüssigmetall gelöstem Sauerstoff bestimmt. Dessen Messung erfolgt mithilfe elektrochemischer Sensoren mit einem Festelektrolyten auf Basis von Zirconiumdioxid. Eine Zufuhr oder Entzug von Sauerstoff erfolgt in Abhängigkeit von der angezeigten Abweichung vom Zielwert, z.B. durch Stoffaustausch mit einem Gasstrom mit variablem Sauerstoffpartialdruck. Diese Methode ist insbesondere für flüssiges Blei und Blei–Bismut-Legierungen geeignet und für diese Flüssigmetalle zu einer automatisierten Sauerstoffkontrolle entwickelt worden. Sie ist auf andere Flüssigmetalle mit geringer bis moderater Sauerstoffaffinität direkt übertragbar.
Wasserstoff lässt sich über Hochtemperatur-Reaktionen erzeugen, für die sich auch Flüssigmetalle als Reaktionsmedium eignen. Ein Prozess, der für die Fusionstechnologie bzw. -forschung von besonderer Bedeutung ist, ist die Gewinnung des Wasserstoffisotops Tritium durch die Reaktion von Neutronen mit Lithium. Die derzeit entwickelten Wasserstoffsensoren für den Einsatz in flüssigem Lithium arbeiten nach dem elektrochemischen Prinzip mit einer flüssigen Salzmischung als Elektrolyten.
Die gezielte Veränderung von Eigenschaften an der Oberfläche eines Strukturmateriales kann dessen Standzeit bei von außen auf das Material einwirkenden Beanspruchungen verlängern. Die durch Erzeugung einer Schicht eines zweiten Materials erreichbare Veränderung ist dabei am markantesten. Neben der Funktion, muss insbesondere die Haftung der Beschichtung auf dem Substrat gewährleistet sein und unter der Beanspruchung des Verbundes im Einsatzfall dauerhaft erhalten bleiben.
Für metallische Werkstoffe in Gegenwart von Flüssigmetallen ist in der Regel der Korrosionsschutz von übergeordneter Bedeutung. Sofern ein Minimum an im Flüssigmetall gelöstem Sauerstoff vorliegt, bieten sich insbesondere Korund (a–Al2O3) oder dieses Oxid bildende Beschichtungen an.
Derzeit entwickelte Beschichtungen für Stahl beruhen auf galvanischer Abscheidung von Aluminium aus einer ionischen Flüssigkeit und einer dreistufigen Wärmebehandlung, während der sich das Aluminium in der oberflächennahen Zone des Stahles löst und Aluminiumoxid auf der Oberfläche aufwächst. Der dazu erforderliche Sauerstoff stammt aus der Gasatmosphäre im Glühofen.
Die Arbeiten stehen im Zusammenhang mit der Entwicklung des Fusionsreaktors, für den bestimmte Bauteile vor Korrosion durch eine flüssige Lithium–Blei-Legierung geschützt sein müssen. Gleichzeitig soll die Oberfläche elektrisch nichtleitend sein und insbesondere der Durchtritt von Tritium durch die Bauteilwand reduziert werden. Aluminiumoxid kann alle drei Funktionen erfüllen.